Folge 12: Martin Suter – Allmen komplett

Mit Martin Suter und seiner Krimireihe um den charmanten Herrn Allmen hat der gegenwärtige Literatur-Mainstream Einzug in die KuKuLiZe gehalten. Prompt folgte eine typisch deutsche Diskussion um E- und U-Literatur, wie auch die geäußerte Besorgnis man könne nun auch gleich (wie von ehemaligen Grundschulklassenkameradinnen bevorzugt) »Shades of Grey« oder »Twilight« lesen. Wie so häufig sind die Grenzen zwischen Kunst und Unterhaltung jedoch fließend bzw. liegen im Auge des Betrachters. Und wieso darf Kunst eigentlich keinen Spaß machen? Fall 1 wurde größtenteils positiv, da als originell bewertet, aufgenommen. Fall 2 war vermutlich der spannendste Krimi. Fall 3 brachte wenig Neues. Hierzu stellte Sascha trefflich fest: Für einen Bond genügt es auch nicht, dass er teure Autos fährt und schöne Frauen küsst, wenn Mission und Bösewicht schwächeln. Größtenteils übereinstimmend wurde folgendes festgehalten: Fast jedes Mitglied hatte Vergnügen bei der Leichtigkeit der Lektüre (was nach dem vergangenen Titel auch bitter nötig war). Ebenso ließ sich dank der schillernden Lebenslust der Hauptfigur ein opulentes Mahl samt erheiternder Getränke bereiten. Auch für den eigenen Musik-, Literatur- und Kunsthorizont konnte jeder für sich aus Allmens Repertoire etwas mitnehmen. Die Eignung zu einer anschließenden fruchtbaren Diskussion im Plenum sowie ein tieferes Wirken im Nachgang blieben die Werke jedoch schuldig.

Stattdessen erfreute man sich im Gärtnerhaus der Villa Schwarzacker vielmehr am Tiefgang der teilnehmenden Charaktere, die sich nahezu vollständig versammelten. Der Gastgeber Allmen (Steffi) und sein Diener Carlos (Alex) zauberten ein liebevolles Diorama der Allmen’schen Welt in das sonst so kellerartige Boft. Auch dank des Zugangs von Hausdame María (Mara) in das kleine Männerreich fanden Dekoration und Menüfolge anerkennende Zustimmung. Stilecht chauffiert fuhr Familie Leuschner im 78er Fleetwood Cadillac vor, den Herr Arnold (Papi) wie gewohnt sanft durch die gepflasterten Alleen um den herrschaftlichen Mexikoplatz gleiten ließ. Jannis bevorzugte die hipstereske Anreise im geclickten Car2Go-Smart (über die Abreise wird öffentlich der Mantel des Schweigens gelegt), Yenilee kam etwas mit den verschiedenen Forststraßen in Steglitz/Zehlendorf durcheinander (mit lediglich einer Ziffer Unterschied in der PLZ ist das aber auch fies!) und Christoph verspätete sich unverschuldet auf Grund einer Nachlässigkeit seines Smoking-Schneiders.

Bei Crémant (Champagner hilft zwar gegen Herzklopfen, macht aber auch eine verräterische Fahne. Außerdem reicht die Skala des Lonely Nights nur bis zur Witwe aus dem Supermarkt, CHF 270.) und undamenhaft groß genehmigten Schlucken Manhattans nahm die Stimmung rasch Fahrt auf. So lange Alkohol als öffentlicher Akt genossen wird ist ein kleiner Rausch ja auch kein Problem. Zur Abkühlung konnte zudem auf Perrier mit zwei Stück Eis und einem Schnitz Zitrone ausgewichen werden. Wie zur besten Zeit in der Goldenbar ertönte dezent im Hintergrund etwas Barmusik, die zu später Stunde von den Wiener Philharmonikern abgelöst wurde. Doch nichts erfreut Allmens Herz so sehr, wie Cole Porters »In the Still of the Night« (bevorzugt am Piano, aber keiner nimmt die Showtreppe so dynamisch wie Andy Williams).

Nachdem es das Kräuteromelett schon am Samstagmorgen gab, wurden die Huevos Rancheros den Gästen zuliebe etwa 12 Stunden vor der gewohnten Zeit gereicht. Sogar der zunächst skepische Jakob mag nun »Eier mit Tomatenpampe drauf«. Der Coq au Vin nach Siebeck-Art (eines von Allmens Leibgerichten) gelang zur großen Erleichterung des Haushälters Carlos ebenfalls. Das Geheimnis: »Ein ausgewachsenes Huhn, das geschmort werden soll, muß [sic!] vorher enthäutet werden.« (Mary Hahn (2003) in: Wolfram Siebecks Kochschule für Anspruchsvolle, S. 102.) Zudem nimmt man einen anständigen Rotwein zum Schmoren, den man anschließend auch zur Mahlzeit trinken möchte. Es muss dabei nicht wie im Originalrezept vorgesehen Chambertin sein (»[E]iner der größten Rotweine der Welt – Napoleon schleppte immer einige Kisten davon mit sich herum – und einer der teuersten.«, ebd., S. 106.). Ein anständiger Burgunder tut es auch.

Mittlerweile war das Stimmen-Wirrwarr so angewachsen, dass sogar Jessicas pädagogische Instrumente zur Zähmung einer Horde Erstklässler versagten. Die gepflegte Käseauswahl auf Omas Servierwagen konnte die Wogen jedoch wieder etwas glätten. Sascha und Yenilee verabschiedeten sich als erste, konnten aber noch miterleben, wie die Partygänger der Runde bei Gin Tonic ihren Discoschwipps anheizten (das »best coke in town« war ohnehin lediglich im VIP-Bereich des frisch eröffneten Snow White Clubs zu haben) oder nach weiteren Martinis (nicht Martini!) in einen komatösen Schlaf fielen. Ein Ende mit Cliffhanger sorgte für abschließenden Unmut. Zum Glück sind unsere María und die Dahlien nicht in die Hände der Italiener gefallen!

Als nächstes Werk folgt Joseph Roths Radetzkymarsch. Ort und Zeit stehen noch in den Sternen. Ob es zum Abgesang auf die Donaumonarchie eines vollständigen Menüs bedarf oder Schmalzstullen genügen bleibt abzuwarten. Lediglich die Musik ist klar.


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